Das antike Drama by Fuhrer Therese; Hose Martin
Autor:Fuhrer, Therese; Hose, Martin [Fuhrer, Therese; Hose, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Vor- und Frühgeschichte, Antike
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2017-02-27T23:00:00+00:00
7. Das Drama im Hellenismus: Bühnen und Bücher in der gesamten Oikumene
Äußerlich betrachtet waren die Bedingungen für das griechische Drama vom Ende des 4. Jh. an so günstig wie nie zuvor. Die gesamte östliche Hälfte des Mittelmeerraumes, der Nahe und Teile des Mittleren Ostens, Nordafrika bis zum heutigen Sudan hatten sich im Zeitalter Alexanders und der Diadochen der griechischen Kultur geöffnet. Die griechischen Poleis profitierten von dieser ‹Globalisierung›, die griechische Stadtkultur breitete sich bis an den Hindukusch aus. Dazu gehörten Theater, in denen griechische Dramen gespielt wurden, das griechische Gymnasium, in denen man nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch die griechische Sprache erlernte. Zum kanonischen Lernstoff gehörte dabei neben den homerischen Epen das attische Drama. Den Theaterbetrieb selbst prägten nun Schauspielergilden, die von den Poleis für die Aufführung engagiert wurden. ‹Spitzenschauspieler› genossen hohes Ansehen, sie wurden bisweilen sogar für diplomatische Missionen engagiert. Die sich in den höfischen Zentren ausbildende Philologie, die die Einrichtung der neuen großen Bibliotheken etwa in Alexandria und Pergamon begleitete, schuf Sammelausgaben auch der Dramatiker, die so fortan leichter in größerer Zahl gelesen werden konnten. Ausgehend von den Werturteilen des 5. Jh. bildeten sich Lesepräferenzen und schließlich ein Kanon von Autoren und Texten aus, der in Hellenismus und Kaiserzeit bestimmend wurde – so bestimmend, dass augenscheinlich gegen die im Zuge dessen entstandenen ‹Klassiker› Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes und Menander die jeweils aktuellen Dichter keine Überlieferungschancen hatten. Versuche im Hellenismus, einen Kanon der ‹neuen› Tragiker zu etablieren (die ‹Pleias›, ein ‹Siebengestirn›, benannt nach dem Sternbild der Plejaden), blieben so erfolglos, dass nicht einmal die Namen dieser Dramatiker einhellig überliefert sind. Rein numerisch ist nicht gering, was vom 4. Jh. an vorhanden war. Wir kennen die Namen von mehr als 80 Tragikern und über 100 Komikern aus der Zeit vom 3. Jh. bis zum 1. Jh. v. Chr. Ihr Werk müsste mehrere Tausend Dramen umfasst haben. Es ist bis auf wenige Titel und einzelne Verse verloren.
Die kanonische griechische Literatur fungierte im Hellenismus als Akkulturationsmotor: Nicht-Griechen lernten an ihr Sprache und Gedankenwelt der Griechen kennen; die Literatur konnte zugleich als Verständigungsgrundlage im Miteinander unterschiedlicher Kulturen dienen. Freilich war dies auch ein reziproker Prozess, wie die Geschichte des römischen Dramas (S. 67–84) und auch wie ein Tragödienfragment aus dieser Epoche zeigen, das Eusebios von Kaisareia (allerdings aus ‹zweiter Hand›) zitiert: Ein als Tragödiendichter ausdrücklich apostrophierter Jude namens Ezechiel verfasste ein griechisches Mose-Drama, wobei er den Stoff des Buches Exodos in die Form der attischen Tragödie übertrug. 269 Verse sind erhalten, wohl aus dem Prolog, in dem Mose selbst von seiner Kindheit und Jugend berichtet, ferner eine Art von Botenbericht, in dem die Stimme Gottes Mose die Plagen beschreibt, ferner ein regelrechter Botenbericht, der den Untergang des ägyptischen Heeres mitteilt. Die Bedeutung dieses Dramas dürfte darin gelegen haben, einerseits ein griechisches Publikum (ob bei einer Aufführung oder durch Lektüre, ist nicht zu entscheiden) über die jüdischen Traditionen zu unterrichten, andererseits eine auf die eigenen religiösen Traditionen zurückgreifende ‹moderne› und ästhetisch anspruchsvolle Lektüre für das griechischsprachige Diaspora-Judentum zu schaffen.
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